Niedrig verzinste Darlehen bergen die Gefahr der Annahme einer schenkungsteuerpflichtigen freigebigen Zuwendung. Um diese Annahme zu vermeiden sollte, bei einer Darlehensgewährung auf unbestimmte Zeit, grundsätzlich ein Zinssatz von 5,5 % zugrunde zu legen, da dieser dem Zinssatz des Bewertungsgesetz entspricht. Jedoch kann auch ein niedrigerer Zinssatz angewandt werden, sofern dieser Zinssatz feststeht. Zur Ermittlung eines feststehenden Zinssatzes kann ein niedrigerer, marktüblicher Vergleichszinssatz herangezogen werden.
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Inhaltsübersicht
Aktuelle Rechtslage
Wird ein unverzinsliches oder niedrig verzinsliches Darlehen gewährt, erfolgt die Bewertung des Kapitalwerts der freigebigen Zuwendung gemäß § 15 Abs. 1 BewG (Bewertungsrechtlicher Zinssatz: 5,5%). Ein anderer Zinssatz als 5,5 % kann nur angewendet werden, wenn dieser eindeutig festgelegt wurde.
Zu klärende Frage des BFH
Der BFH musste sich mit der Rechtsfrage befassen, ob die Gewährung eines Darlehens zu einem Zinssatz, der unterhalb des Marktzinses liegt, eine freigebige Zuwendung darstellt und – falls eine freigiebige Zuwendung vorliegen sollte – wie diese zu bewerten ist.
Der verstorbene Erblasser A wurde von seiner Schwester B (Vorerbin) und seinem leiblichen Sohn (Kläger, Nacherbe) beerbt.
Die Nacherbschaft trat mit der Volljährigkeit des Sohnes ein.
Die minderjährige, uneheliche Tochter C des Erblassers wurde testamentarisch nicht bedacht. Pflichtteilsanspruch: ca. 2 Mio. EUR.
Im Rahmen eines Vergleichs schloss C – vertreten durch einen Ergänzungspfleger – mit dem Kläger (A) am 3.11.2016 einen Darlehensvertrag.
Darlehenszinssatz: 1%.
Auszahlung: Das Darlehen galt als zum 1.1.2016 ausgezahlt.
Rechtskraft: Rechtskräftig wurde das Darlehen erst mit amtsgerichtlichem Beschluss v. 23.3.2017.
Darlehenshöhe: ca. 1,875 Mio. EUR.
Darlehenslaufzeit: auf unbestimmte Zeit.
Kündigungsmöglichkeit: zum 31.12.2019.
Marktüblicher Zinssatz für vergleichbare Darlehen laut Bundesbankstatistik: 2,67 % bis 2,81 %.
Erst 2018 wurde ein Zinsvergleichsangebot rückwirkend auf den 1.1.2016 eingeholt.
Auffassung der Finanzverwaltung
Das Finanzamt beurteilte die niedrigverzinsliche Darlehensgewährung zur Nutzung als schenkungsteuerpflichtigen Erwerb des A (beschenkter). Der Jahreswertes der freigiebigen Zuwendung bestand laut Auffassung des Finanzamts in Höhe der Differenz (4,5%) zwischen vereinbarten Darlehenszins (1%) und dem bewertungsrechtlichen Zinssatz für den einjährigen Betrag der Nutzung einer Geldsumme nach § 15 Abs. 1 BewG (5,5%). Die Bewertung des Nutzungsvorteils, also der verfügbaren Geldes, erfolgte mit dem Bewertungsrechtlichen Faktor von 9,3 (§ 13 Abs. 2 Halbsatz 2 BewG), da das Darlehen auf unbestimmte Zeit gewährt wurde.
Somit Ergab sich folgender schenkungsteuerpflichtiger Erwerb: 1.875.768,05 € x 4,5% x 9,3 = 785.008 €
Formel schenkungsteuerpflichtiger Erwerb: Darlehenssumme x Zinsvorteil x Bewertungsrechtlicher Faktor = Schenkungssteuerpflichtiger Erwerb
FG Mecklenburg-Vorpommern: Nachweispflicht für niedrigen Marktzinssatz
Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 27.4.2022 – 3K 273/20) entschied ebenfalls, dass eine Darlehensgewährung unter der marktüblichen Verzinsung eine steuerpflichtige freigebige Zuwendung darstellen könne. Die Zuwendung sei mit einem dem bewertungsrechtlichen Zinssatz von 5,5 % zu berechnen, da kein niedrigerer Zinssatz nachgewiesen wurde. Im Ergebnis folgte somit das Finanzgericht der Ansicht der Finanzverwaltung.
Hinweis: FG Mecklenburg-Vorpommern folgt der Ansicht der Finanzverwaltung
Entscheidung des BFH: Revision erfolgreich
Der BFH urteilte am 31.7.2024 (II R 20/20) zwar, dass die Gewährung eines niedrig verzinsten Darlehens eine freigebige Zuwendung darstellt. Jedoch wurde bei der Berechnung des Zinsvorteils ein Zinssatz unterhalb des bewertungsrechtlichen Zinssatzes von 5,5 % zugrunde gelegt.
Freigebige Zuwendung aufgrund der verbilligten Darlehensgewährung
Die Gewährung eines Darlehens zu einem niedrigen Zinssatz wird objektiv als freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) betrachtet. Gegenstand der Zuwendung ist die teilweise unentgeltliche Einräumung des Rechts, das überlassene Kapital zu nutzen. Zudem muss die Zuwendung nach dem Willen des Schenkers (subjektive) freigiebig sein.
Ausführung der freigebigen Zuwendung
Die freigebige Zuwendung wurde zum 1.1.2016 (Tag der Entstehung der Schenkungsteuer) ausgeführt, da der Zeitpunkt der Ausführung der freigebigen Zuwendung maßgeblich ist. Die Tatsache, dass der Darlehensvertrag erst am 23.3.2017 mittels amtsgerichtlichen Beschlusses rückwirkend rechtlich wirksam wurde ist hingegen irrelevant.
Höhe der freigebigen Zuwendung
Bei Darlehen auf unbestimmte Zeit ist die Zinsdifferenz zwischen dem vereinbarten Zinssatz und dem bewertungsrechtlichen Zinssatz (§ 15 Abs. 1 BewG) für die Berechnung der schenkungsteuerlichen Zuwendung maßgeblich. Damit wird grundsätzlich ein Zinssatz von 5,5 % zugrunde gelegt. Von diesem Zinssatz kann jedoch abgewichen werden, wenn ein anderer Zinssatz feststeht. Ein solcher Wert steht unter anderem dann fest, wenn ein marktüblicher Zinssatz anhand von vergleichbaren Darlehenskonditionen sowie persönlichen Verhältnisses des Darlehensnehmers ermittelbar ist, bspw. durch die Bundesbankstatstik oder Vergleichsangebote. Nicht erforderlich ist, dass ein Vergleichsangebot durch den Steuerpflichtig tatsächlich eingeholt wird.
Dementsprechend ging der BFH von dem Feststehen eines anderen Zinssatzes (Höhe: 2,81 %) aus
Praxisfolgen
Die Entscheidung des BFH ist besonders relevant für unbefristete Darlehen mit niedrigem Zinssatz, da diese grundsätzlich einen Schenkungsteuerrelevant Vorgang auslösen könnten. Die Bewertung der Schenkung erfolgt grundsätzlich mit dem bewertungsrechtlichen Zinssatzes von 5,5 %, sofern kein niedrigerer marktüblicher Zinssatz „feststeht“.
Die Entscheidung des BFH könnte insbesondere bei Eltern und deren Kindern von Relevanz sein, da zwar die verbilligte Darlehensgewährung zu einer Schenkung führt, die den persönlichen Freibetrag der Kinder verbraucht. Jedoch kann der feststehende niedrigere Zins Gestaltungsspielraum hinsichtlich des Verbrauchs des persönlichen Freibetrags oder zur Vermeidung einer Schenkung bieten. Um im Darlehen zugrunde gelegten Zins im Zweifelsfall nachzuweisen, bieten es sich an, auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung (Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens) eine Dokumentation des Zinssatzes (bspw. durch Bundesbankzinssatz oder Vergleichsangebot) zu erstellen.
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